Risiken bei der Firmengründung in den USA
“Sie wollen eine Firma gründen?” fragt der Anwalt seinen Mandanten am Telefon. “Gar kein Problem, ich brauche ein paar Informationen und dann mache ich das online innerhalb von ein paar Stunden”. Wer in den USA eine Firma gründen will, wird überrascht sein, wie schnell die Formalitäten erledigt sind. Anders als in Deutschland muss bei einer Kapitalgesellschaft kein bestimmtes Stammkapital eingezahlt werden. Selbst Firmen mit Milliarden an “genehmigtem Kapital” (sog. “authorized capital”) können nur $ 100 Kapital haben. Auf den ersten Blick scheint zudem das Risiko einer persönlichen Haftung bei einer amerikanischen Kapitalgesellschaft geringer zu sein als in Deutschland: Schnell haftet der Geschäftsführer einer deutschen GmbH mit seinem Privatvermögen, insbesondere bei Nichtzahlung von Sozialbeiträgen und Insolvenzverschleppung nach dem deutschen Insolvenzrecht. Bei einer amerikanischen “Inc.” gibt es außer bei schwersten Straftaten grundsätzlich keine Durchgriffshaftung auf die natürlichen Personen.
Die Versuchung, ohne großen finanziellen Aufwand eine amerikanische Firma zu gründen, ist daher groß. Dabei wird oft übersehen, dass der generelle Schutz vor einer Durchgriffshaftung nicht absolut ist und zahlreiche Situationen auftreten können, in denen ein Gläubiger die schützende Firmenhülle durchstoßen und direkt auf die Vermögenswerte des Aktionärs oder der Mutterfirma zugreifen kann (“Piercing the Corporate Veil”). Es kann daher nur davor gewarnt werden, ohne intensive Beratung durch eine international tätige Anwaltssozietät eine amerikanische Firma zu gründen.
Eine persönliche Haftung des Firmeneigentümers besteht nach dem sog. “alter-ego”-Test, wenn aufgrund identischer Interessen keine Trennung zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft besteht und ohne Durchgriff ein ungerechter Zustand vorliegen würde. Eine Haftung kommt insbesondere in Betracht, wenn die Gesellschaft faktisch von dem Firmeneigentümer vereinnahmt wird, indem das Vermögen der Gesellschaft an ihn weitergeleitet und zu seinen Gunsten die Gesellschaft insolvent wird. Dabei kann im Einzelfall nur von Experten beurteilt werden, ob die Gesellschaft lediglich eine Hülse der ursprünglichen Gesellschaft ist oder ob eine ausreichende Trennung zwischen Gesellschaft und Firmeneigentümer besteht. Es muss untersucht werden, ob die gesellschaftsrechtliche Struktur legitimen Geschäftszielen dient oder nur ein Mittel zur Verhinderung einer persönlichen Haftung ist. Nach der amerikanischen Rechtsprechung können folgende Faktoren für einen Durchgriff auf den Aktionär sprechen:
- Fehlen bzw. mangelnde Befolgung von Formalitäten (z.B. fehlende Sitzungsprotokolle des Vorstands)
- Vermischung von Firmen- und Privatvermögen (“Commingling”)
- Unterkapitalisierung der Firma (“Flimsy Corporation”)
- Personalidentität bei den Organen der Mutter- und Tochterunternehmen
- Unbillige Verwendung einer Firmenhülle für unzulässige Zwecke
Eine Haftung kommt bei Existenz zweier Gesellschaften in Betracht, wenn sie
- einen identischen Sitz haben
- denselben Briefkopf benutzen
- ähnliche Namen haben
- identische Sitzungsprotokolle führen
- dieselben leitenden Angestellten oder Geschäftsführer beschäftigen
- dieselben Rechtsanwälte und Buchhalter beauftragen
- dieselbe Geschäftstätigkeit aufweisen
- als einheitliche juristische Person nach außen auftreten oder wenn
- eine Gesellschaft über das Verhalten der anderen Gesellschaft bestimmt
Die Aufzählung ist nicht abschließend. Für einen Haftungsdurchgriff ist kein Faktor für sich alleine ausreichend und die Gerichte wägen sämtliche Faktoren gegeneinander ab. Allein der Supreme Court of California hielt bisher eine unzureichende Kapitalisierung für ausreichend für einen Durchgriff. Bei der Gewichtung der Faktoren ist die Rechtsprechung zudem uneinheitlich: Während manche Gerichte eine ausreichende Beherrschung auch dann bejahen, wenn kein unbilliges Verhalten vorliegt, verlangen andere Gerichte vom Kläger den Nachweis, dass ein rechtswidriges Verhalten einen Schaden verursacht hat.
Anstatt des “alter-ego”- Test wird von den Gerichten auch der sog. “instrumentality”-Test durchgeführt. Danach haftet der Beklagte, wenn er die Gesellschaft kontrolliert oder vollständig beherrscht, ein unbilliges Ziel verfolgt und dadurch einen Schaden verursacht.
Um die Gefahr eines Durchgriffs so gering wie möglich zu halten, sollte man folgendes tun:
- Dotierung eines Grundkapitals, welches zumindest den Geldbedarf für das erste Geschäftsjahr deckt
- Verfassen von Sitzungsprotokollen (“Minutes”) über alle wesentlichen Beschlüsse des Vorstands, bei zwei Gesellschaften Anfertigung getrennter Sitzungsprotokolle
- Strikte Trennung von Privat- und Firmenkonten
- Beratung durch eine erfahrene Anwaltssozietät
- Da es bei der Durchgriffshaftung auf die Gesamtumstände ankommt und kein Fall dem anderen gleicht, können nur Experten wertvolle Ratschläge geben. Ihre Erfahrung in der Überprüfung von Rechtsgeschäften, Transaktionen und Gesellschaftsstrukturen versetzt sie in die Lage, die gesellschaftsrechtlichen Zusammenhänge zu analysieren und die maßgebenden Faktoren herauszuarbeiten.
(c) 2005 – Rechtsanwalt Alexander Reus, Günter Ottmann, Rechtsreferendar
Dieser Artikel stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar, sondern dient ausschließlich zur allgemeinen Information.
>>> Sprechen Sie uns an bei weiteren Fragen